Liebster Geliebter,
ich weiß, dass es dich gibt, dass du immer bei mir bist. Ich spüre deinen Atem und wie du mir sanft das Haar aus dem Gesicht streichst. Selbst deine Augen berühren mich, meinen Mund, meine Schultern. Du bist stark und weise, ein lebenshungriger Abenteurer, braunäugig, langhaarig, wild und fröhlich. Wenn ich weiter meinen Gedanken folge muss ich lächeln, noch weiter herzhaft lachen. Du hast mich gefragt, ob ich mit dir die Welt sehen möchte. Zeig sie mir, wie du sie siehst, und betrachte sie dann durch meine Augen. Ich möchte meine Welt auch mit dir teilen, wir haben alle Zeit unserer beider Welten.
Heute bin ich, wie du sicher gemerkt hast, früh aufgestanden und habe sofort die Fenster geöffnet. Die Sonne schien zum ersten Mal seit drei Wochen. Ich war hungrig, nach ihr und nach dir. Ich habe versucht dich wach zu küssen, aber erst der Kaffeegeruch hat dich aus dem Bett geholt. Es ist schön dir meine Träume zu erzählen, deinen zuzuhören. Es ist schön, dass wir gemeinsame haben. Wir werden sie nie aufgeben, versprochen! Ich habe nicht vergessen, wie gerne du nach Neuseeland möchtest, und ich bin jetzt selber schon so neugierig darauf. Ich glaube ich habe bald genug Geld, dass wir dort hinfliegen können. Gestern hat mich Sarah bei der Arbeit wie immer nach dir gefragt und wie immer hat sie mich ausgelacht, weil sie sagt, dass es dich wahrscheinlich gar nicht gibt, weil dich von meinen Freunden noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Sie verstehen nicht, dass wir ganz gut ohne sie auskommen, dass wir niemanden anderen brauchen. Sie sind ja alle nur neidisch, dass wir so lange schon so glücklich miteinander sind, dass wir nie einen Grund haben zu streiten, dass du mich über alles liebst, dass ich dir vollauf genüge und dass du mich schöner findest als alle anderen Frauen dieses Universums. Sie verstehen auch nicht, wenn es dich tatsächlich gibt, dass du nie arbeiten gehst. Ich habe ihnen natürlich von deinem Buch erzählt, dass du schreibst. Aber nach all den Jahren behaupten sie, müsste es schon längst fertig sein. Sie wissen nicht, dass es ein Buch über unsere Liebe ist und die ist endlos.
Es tut mir leid, dass ich gestern schon wieder so lange arbeiten musste, aber das tue ich nur für uns. Hast du mich vermisst, hat es dich inspiriert. Da war dieser komische Typ, der seit einer Woche ganz knapp vor der Auslage steht und durch das Fenster hindurch mich einfach nur anstarrt. Eigentlich sieht er ganz gut aus, natürlich nicht so gut wie du, aber er ist mir irgendwie unheimlich. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Pünktlich um 8 Uhr, eigentlich sperren wir immer um 6 Uhr, verschwindet er dann wieder. Also warte ich meistens solange und gehe um 8 Uhr 15 bei der Hintertüre raus, damit ich nicht an ihm vorbei muss. Ich weiß, du findest das feige. Gestern blieb er um 8 Uhr einfach draußen stehen. Zuerst hatte ich Angst, außerdem wollte ich zu dir nach Hause. Ich wusste, du würdest dir Sorgen machen. Um halb neun war er immer noch da. Langsam schlug die Angst in Wut um. Warum ließ ich mir von einem Fremden die Zeit stehlen. Unsere Zeit. Die schönste Zeit mit dir. Die Zeit, wenn du dich wahnsinnig freust mich wieder zu sehen und mich so fest umarmst, dass ich fast dabei ersticke und ich dir dann alles erzählen kann und du mir zuhörst, aufmerksam von der ersten Sekunde an, an meinen Lippen hängst, auch wenn die Geschichte noch so langweilig und unspektakulär ist. Ich liebe dich.
Ich beschloss die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wie du weißt, gibt es einen Revolver in der Schublade unter der Kasse. Es kommt nicht so selten vor, dass in Juwelierläden eingebrochen wird. Es war heute ziemlich viel los. Zusätzlich war Herr Makesch wie jedes Jahr da, um seiner Frau das teuerste Collier, das wir hatten, zum Hochzeitstag zu schenken. Es war ihm eigentlich vollkommen gleichgültig, wie es aussah. Natürlich war mein Chef immer darauf bedacht, zu dieser Zeit etwas ganz Besonderes im Laden zu haben. Vielleicht hat der Typ das beobachtet und war nur auf das Geld aus. Warum sollte er auch wegen mir jeden Tag vor der Türe auf und ab gehen. Das machte mich eigentlich noch wütender. Laut Statistik werden 50% aller Kriminellen nie gefasst. Du kannst dich sicher daran erinnern, wie ich dir den Artikel über die besten und unwahrscheinlichsten Methoden zu Geld zu kommen vorgelesen habe. Bevor er es ist, bin es lieber ich. Ich nahm das Geld aus der Kasse, immerhin 9.235,- Euro und tat es in meine Lieblingshandtasche. Die gelbe, die du mir zu meinem Geburtstag geschenkt hast. Sie hat mir immer Glück gebracht. Nahm den Revolver aus der Lade und wie du weißt, kann ich ganz gut damit umgehen, sperrte die Vordertüre auf und sprach den Typen freundlich an, ob er sich noch ein bisschen im Geschäft umsehen möchte. Ich hätte sein Interesse bemerkt und lud ihn ein, sich alles in Ruhe anzusehen. Er reagierte freundlich und überlegen, irgendwie kam mir sein Grinsen schmutzig vor. Das machte es noch einfacher. Wenn ich so richtig wütend werde…, du kennst mich. Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht, dass ich dir versprochen hatte, alles für dich zu tun. Ich stellte mir vor, wie glücklich du bist, wenn ich dir die Tickets in dein Traumland zeigte. Der Typ ging in Richtung Vitrine gleich neben der Kassa und drehte mir den Rücken zu. Er griff in seine Manteltasche. Ich musste schneller sein. Das war ich auch. Er war auf der Stelle tot, glaube ich. Jedenfalls bin ich dann gegangen. Ich habe den Laden noch zugesperrt. Danach fuhr ich gleich zum Flughafen und habe die Tickets gekauft. Jetzt bin ich gleich bei dir, wir müssen noch Koffer packen. In 4 Stunden fliegen wir und fangen ein neues Leben an. Es wird mich niemand mehr auslachen, ab jetzt bleiben wir für immer zusammen als Herr und Frau Langleben und alles andere bleibt unser Geheimnis.
für immer
Salome