Mit zwei Jahren war ich das erste und letzte Mal im Iran. Mein Vater wollte, nach seinem Medizinstudium in Wien, wieder zurück in sein Heimatland zu seiner Familie. Meine abenteuerlustige Mutter genoss mit uns drei Kindern dieses so andere Leben. Aber so viel hatte sich damals schon für meinen Vater geändert. Unter den politischen Umständen und den gesellschaftlich sichtbaren Ungerechtigkeiten, wollte er nicht mit seiner Familie leben. Meine sorgenfreie, kindliche Erinnerung besteht aus Geschichten, Gerüchen und dem Gefühl des Schutzes einer Großfamilie. Ich durfte wild und frei sein, und so ungewohnt das für mich war, holte ich mir dort bei meinen Sturzflügen meine Narben im Gesicht und an der Hand. Wenn ich mir jetzt dieses Foto ansehe, glaube ich mich so zu sehen, wie ich wirklich bin. Die ausgestreckte Hand, der zweifelnde und dennoch entschlossene Blick, fühlt sich meiner Persönlichkeit so nahe.
Es ist ein Ausdruck der Freiheit, gerade dort, wo es keine mehr gibt. Ich nehme dieses Bild als Symbol für mein innerliches Mitkämpfen in der iranischen Revolution 2022, wo die Bevölkerung wieder und wieder bereit ist, ihr Leben zu geben, das sie nie richtig leben durfte. Der Weg, den ich gehen konnte, wäre niemals möglich gewesen, hätte mein Vater diese bevorstehende Unterdrückung nicht kommen gesehen.
In Österreich aufgewachsen, fühlte ich mich nicht als Perserin, wie wir uns lange bezeichneten, auch jetzt nicht als Iranerin, auch wenn ich merke, dass sich die Wahrnehmung und mein Empfinden dazu geändert und intensiviert haben. Aber die Schlussfolgerung, mich deswegen als Österreicherin zu fühlen, ist auch falsch. Ich habe mich davon distanziert, mich über meine Nationalität definieren zu wollen. Meine Herkunft beinhaltet unterschiedliche Kulturen, mehrere Glaubensrichtungen, Bahai, Judentum und Christentum und den indirekt erlebten Zwang, genau aus diesem Grund zu flüchten. Sie bringt mich aber auch dazu, zufrieden zu sein, eben genau dort, wo ich bin. An einem Ort, an dem es nie leicht war, akzeptiert zu werden, aber dennoch mein Handeln nicht verboten, meine Person nicht verfolgt und meine Tochter die Wahl hat zu sein, wer sie möchte. Gleichzeitig aber mit dem Bewusstsein, dass es auch dafür keine immerwährende Garantie gibt.
Die iranische Revolution berührt mich so tief, dass ich mich dabei ertappe, in Gedanken auf die Straße zu gehen, und vor lauter Verzweiflung und Wut bereit wäre, mich dafür erschießen zu lassen. Ob es tatsächlich so wäre, weiß ich nicht, aber die Emotionen sind echt, obwohl ich sogar manchmal daran zweifle, ein Recht auf sie zu haben. Ist das für mich der Beweis, dass ich die Unterdrückung lebe?
Bildausschnitt: NO MORE WOMAN | NO CRY | NO HUMANS | NO MORE
200 x 100 cm | Oktober 2022
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